12.05.2016

Schneller als Frau Merkel: BGH schützt Wlan-Besitzer vor Abmahnanwälten (I ZR 86/15)
Was wird denn nun aus der Kanzlei Walldorf-Frommer?
Euroweb-Ableger Net365 GmbH kann abschalten

Was war:

Bisher haftete der Anschlussinhaber immer dann wenn seine WLAN-Verbindung von Dritten für illegale Aktivitäten, insbesondere illegales Filesharing, genutzt wurde. Es sei denn er hat sein WLAN gegen unberechtigten Zugang gesichert, verschlüsselt und eventuelle Mitbenutzer darüber belehrt, dass diese nichts rechtswidriges tun dürfen.

Was ist:

Der erste Zivilsenat des BGH hat die Mitstörerhaftung (und nicht die "Störerhaftung") für diejenigen eingeschränkt, welche das WLAN mit Dritten, z.b. Besuchern, teilen.

(Urteil vom 12. Mai 2016 - I ZR 86/15)

Wlan kann und darf Gästen oder Besuchern zur Verfügung gestellt werden, ohne dass man fürchten muss, möglicherweise für deren illegale Internetaktivitäten haften zu müssen. Erwachsene, die den Internetanschluss des Gastgebers nutzen, müssen nicht eigens darüber belehrt werden, dass Downloads und Filesharing geschützter Filme und Musiktitel im Netz verboten sind. In der mündlichen Urteilsbegründung wurde durch den BGH-Senatsvorsitzenden Wolfgang Büscher eine solche Belehrungspflicht als "nicht sozialadäquat" bezeichnet. Eine entsprechende Belehrung ohne konkrete Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Nutzung des Internetanschlusses sei nicht zumutbar. Das gilt erst recht für die von Abmahnnabzockern immer gern ins Feld geführte Kontrollpflicht. Was sich jene Richter bisher dabei dachten, welche verlangten, dass man als Anschlussinhaber seine erwachsenen Besucher belehre und dann deren Nutzungsweise auch noch kontrolliere, liegt im Braunen.

Mit seiner modern anmutenden Entscheidung hat der BGH im Rahmen der derzeit geltenden Gesetze vorweggenommen was der Gesetzgeber erst noch umsetzen will. Ich gehe davon aus, dass die Eile mit der große Koalition eben diese Mitstörerhaftung auch per Gesetz abschaffen will dem Umstand geschuldet ist, dass die Regierung von der Entscheidung vorab wusste und nicht belämmert dastehen wollte. Das mit er Gesetzesänderung auch die Belehrung für das Handeln Minderjähriger (Vorsicht: nicht der eigenen Kinder) und die Verschlüsselungspflicht entfällt dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass die Regierung im Hinblick auf die kommenden Bundestagswahlen vieles vermeidet was diese Wählerstimmen kostet. Was "sozialadäquat" ist haben inzwischen zahlreiche Bürger die Regierung wissen lassen. Genauer: Das der bis heute auf Grund des "Mitstörerhaftungswahns" geltende Zustand (Verschlüsselungs-, Zugangsbeschränkungs- und Belehrungspflicht - letztere nun nur noch bei Kindern) und der vormals geplante Unsinn (bescheuerte Vorschaltseite mit Belehrung) nicht "sozialadäquat" sind.

Was wird:

Insbesondere die sehr spezialisierte Münchner Abmahnkanzlei Walldorf Frommer dürfte sich wohl spätestens jetzt auf die Suche nach neuen Einkommensquellen machen. Denn durch die Entscheidung wächst für deren Mandanten zumindest das Prozesskostenrisiko: Die verlieren immer dann wenn Dritte (eben Mitnutzer des WLAN) für die Störung in Frage kommen und der Anschlussinhaber fest und einigermaßen glaubwürdig behauptet, dass er es nicht gewesen sei. Da dürfte es schwierig sein, Mandanten zu finden - denn diese wollen gewiss kein Geld zum Fenster raus werfen.

Der "Rechteinhaber" muss nun nämlich nachweisen, wer der "Störer" ist. So wie bisher einfach und völlig inadäquat den Anschlussinhaber als "Mitstörer" in Haftung zu nehmen und „ganze Familien in den Ruin“ zu treiben" (so jedenfalls die Verbraucherzentrale Hamburg) geht nun nicht mehr so einfach, denn die Betroffenen können sich jetzt effektiv wehren.

Wie man sich ggf. wehrt:

Auf die Abmahnung hin entgegnet man, dass man das WLAN-Passwort volljährigen Nachbarn und/oder guten Freunden, Verwandten, in der Wohnung tätigen Handwerkern, ... überlassen habe damit diese das WLAN nutzen können und natürlich, dass man selbst die vorgehaltene Tat nicht begangen habe

Vor Gericht (falls dann noch geklagt werden sollte) legt man einen Nachweis vor , dass mehrere Nutzer die WLAN-Verbindung nutzen. Das  kann z.B. durch den Ausdruck einer Webseite des Routers erfolgen:

Dazu die Versicherung an Eides statt, dass und wann die Liste als Teil der Webseite des eigenen Routers ausgedruckt wurde, das man nicht Besitzer welches oder welcher der Geräte ist und das man auch nicht wisse, wem welches Gerät gehöre und dass man das WLAN-Passwort volljährigen Nachbarn und/oder guten Freunden, Verwandten, in der Wohnung tätigen Handwerkern, ... überlassen habe damit diese das WLAN nutzen können und natürlich, dass man selbst die vorgehaltene Tat nicht begangen habe - so dürfte man nach dem BHG-Urteil aus der Haftung sein. Denn danach müssen die Kläger das Gegenteil beweisen.

Die wieder gegebene Liste können Sie übrigens nicht verwenden (dann wären Sie ein ziemlich dämlicher Lügner und ich hätte keinerlei Mitleid) - es muss schon eine eigene, und erst vor Gericht möglicherweise eine ungeschwärzte sein. Eine solche Liste also ruhig unter Hinweis auf möglicherweise zu schützende Daten wie oben ersichtlich geschwärzt einreichen aber gleichzeitig um einen gerichtlichen Hinweis für den Fall bitten, wenn das so nicht genügen sollte.

Die Kanzlei Walldorf-Frommer hat mich selbst übrigens auch im Oktober 2015 abgemahnt, aber bis heute nicht verklagt - wohl weil ich darlegte, dass es mehrere Mitnutzer in meinem WLAN (sämtliche Nachbarn) gibt, welche sämtlich volljährig sind und bei Ausgabe des Passwortes belehrt wurden. Das war noch gemäß der alten Rechtslage. Außerdem hatte ich für den Zeitpunkt für mich selbst sogar eine Hotelrechnung und konnte also (potentiell, denn der Kanzlei Walldorf Frommer habe ich diese natürlich nicht vorgelegt) beweisen, dass ich selbst als "Störer" oder "Verletzung" nicht in Frage kam. Also war es, so legte ich dar, ein Nachbar oder eine befreundete Person. Ich aber weiß nicht wer es war und das muss ich auch nicht. Die Kanzlei Walldorf-Frommer hat mir zu dem auch nicht (wie von mir verlangt) alle Daten übersandt, "welche bei der Identifikation des Nutzers hilfreich sein können."

Wem es nützt:

Nunmehr können Hotel- und Gaststättenbesitzer, Ladenbesitzer, Wohngemeinschaftsgenossen und sogar einfach nur Nachbarn oder Freunde den Internetzugang teilen ohne in Sorge sein zu müssen, dass einer der Gäste oder Mitnutzer durch versehentliches oder absichtliches Filesharing eine extrem teure Inanspruchnahme als "Mitstörer" verursacht. Denkbar ist sogar, dass sich Nachbarn den Zugang teilen und einer sich einen Zugang für SIP-Telefonie über einen Anbieter einrichtet. Diese könnten sich ebenfalls sehr freuen.

Wem es nicht nützt:

Das Angebot des Euroweb-Ablegers Net365 GmbH (oder anderer ) dürfte obsolet sein. Wer es gekauft hat sitzt jetzt auf einem weitgehend unnützen Vertrag und ärgert seine Gäste wenn er denen die "arschlangsame" Verbindung über Bulgarien und die mögliche Sperrung von Onlinebankingzugängen weiter zumutet.

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